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2.5 Prinzipien moderner Wundbehandlung

2.5 Prinzipien moderner Wundbehandlung

Traditionelle (oder konventionelle) Wundversorgung wird mit trockener Wundversorgung gleichgesetzt, meist werden Mullkompressen oder angefeuchtete Gaze verwendet, aber auch Vliesstoffkompressen, Salbenkompressen, imprägnierte Wundgazen. Diese können in der Wunde austrocknen und mit dem Wundgrund verkleben. Bei dieser Art der Wundversorgung ist mit häufigen täglichen Verbandwechseln zu rechnen, wodurch ein erhöhtes Infektions- und Verletzungsrisiko für die Wunde entsteht.

Bei der modernen, feuchten Wundversorgung hingegen wird ein feuchtes Wundmilieu erhalten, und zwar in allen Phasen der Wundheilung. Dies beschleunigt die Wundheilung, was bereits 1962 von Dr. George Wunter nachgewiesen wurde.

Die wichtigsten Kriterien einer sog. modernen Wundbehandlung sind:
• Physiologische Feuchtigkeit der Wunde fördern und erhalten
• Temperaturoptimum 28-32 °C fördern und erhalten
• Keine färbenden Produkte
• Verlängerte Verbandwechselintervalle (Ausnahme: Kritisch kolonisierte und infizierte Wunden)

Der Einsatz hydroaktiver Verbandstoffe bringt im Vergleich zu traditioneller Wundversorgung folgende Vorteile:
Schnellere Heilung, höhere Abheilungsrate, weniger Wundinfektionen, weniger Schmerzen beim Verbandwechsel, weniger Verbandwechsel durch längere Tragezeiten, mehr Lebensqualität für den Patienten, durch weniger Verbandwechsel auch geringere Personalkosten.

Verbandstoffe sind Medizinprodukte und grundsätzlich abrechnungsfähig zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung

Je nach Wundart, Wundheilungsphase und vor allem je nach Ausmaß der Sekretion kann aus verschiedenen Produktgruppen die passende Wundabdeckung ausgewählt werden. Die nachfolgende Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und beschränkt sich auf die wichtigsten Produktgruppen:

Aktivkohle-Wundauflagen
Aktivkohlekompressen bestehen aus saugenden Materialien mit einer (meist mittleren) Lage aus Aktivkohle. Die Aktivkohle bindet neben Duft- und Eiweißmolekülen auch Bakterien an sich.

Alginate
Alginate bestehen aus Alginsäuren, die vor allem aus Braunalgen extrahiert werden. Je nach Hersteller unterscheiden sich die Zusammensetzungen der Alginate. Bei Kontakt mit Wundexsudat saugt die trockene Calciumalginatfaser das natriumreiche Exsudat auf und wandelt sich so unter Abgabe von Calciumionen in lösliches Natriumalginat (=Gel) um. Die frei gewordenen Calciumionen bewirken eine Blutstillung und das hydrophile Natriumalginat-Gel bindet sehr viel Flüssigkeit (etwa das 20fache seines Eigengewichts) und schließt Keime und Detritus fest ein.

Aquafaser-Verbände
Diese aus zwei Bikomponentenfasern hergestellten Verbände eignen sich besonders zur Aufrechterhaltung des feuchten Wundmilieus in der Granulations- und Epithelisierungsphase.

Antimikrobielle Wundauflagen
Diese Wundauflagen bestehen aus einem Trägerstoff, z.B. Baumwollkompresse oder Polyurethan-Schaumstoff, der mit einem Antiseptikum, meist Polihexanid, getränkt ist. Auch mit Antiseptika versehene Hydro-gele zählen zu den antimikrobiellen Wundauflagen.

Hydrogele
Hydrolgele werden als durchsichtige Kompressen oder als Gel angeboten, enthalten zwischen 30 und 95 % Wasser und verwenden meist Cellulosederivate als Gelbildner.

Hydrokolloide
Sie bestehen aus einem dünnen Polyurethan-Film oder Schaumstoff mit einer aufgebrachten Trägerauflage aus synthetischem Kautschuk, die stark quellende Partikel enthält.

Kollagenhaltige Wundauflagen
Poröse, schwammartige Wundauflagen aus Kollagen, das entweder aus Schweine- und/oder Rinderdermis oder aus Pferdemuskeln stammt. Diese Wundauflagen benötigen zur Abdeckung unbedingt einen Sekundärverband, da sie vollständig vom Körper absorbiert werden.

Kombinierte Wundauflagen
Sie bestehen meist aus Polyurethan-Folie oder -Vlies, Superabsorber und Hydrokolloid (oder Polyester-Fasern) und können üblicherweise bis zu sieben Tagen auf der Wunde belassen werden.

Wundauflagen aus geschäumtem Polyurethan (PUR), mittel- bis grobporig & gemischtporig
Wundauflagen aus Polyurethanschaumstoff sind vielfältigst einsetzbar und eignen sich u.a. zur Wundreinigung, Wundbettkonditionierung, Exsudationsförderung, Granulationsförderung, als Wundfüller, Wundschutz und zur Exsudataufnahme. Der atmungsaktive Verbandstoff übt einen mechanischen Reiz auf die Wunde aus, der im Wundkontakt lokal durchblutungsfördernd wirkt.

Schaumstoffkompressen/Hydropolymere
Polyurethan-Weichschaumkompressen können das 20 bis 30fache ihres Eigengewichts an Exsudat aufnehmen, ohne dabei Größe oder Form zu verändern. Unter Druck geben sie die aufgenommene Flüssigkeit wieder ab. Hydropolymere sind Polyurethan-Schaumstoffe, die sich durch Exsudataufnahme vergrößern.

Schaumstoffkompressen, offenporig
Wundauflagen aus offenporigem Polyurethanschaumstoff eignen sich besonders zur Wundbettkonditionierung und zum mechanischen Débridement. Sie werden auch bei der Unterdrucktherapie (NPWT) als Wundfüller eingesetzt.

Superabsorber
Die superabsorbierenden Polyacrylatpartikel können unter Bildung eines Gels große Mengen Exsudat aufnehmen, das auch nicht mehr abgegeben wird (sog. Pampers-Prinzip). Dadurch wird auch bei stark nässenden Wunden ein feuchtes Wundklima geschaffen, ohne Gefahr von Haut- und Wundrandmazeration.

Wundauflagen mit Honig
Mit medizinischem Honig imprägnierte Wundverbände oder Honig plus Sekundärverband wirken wundreinigend und geruchsmindernd. Durch den osmotischen Effekt des Honigs in der Wunde und dem niedrigen ph-Wert entsteht ein bakterizider Effekt.

Wundauflagen mit Silber
Von fast allen Wundauflagentypen gibt es auch eine mit Silber beschichtete Variante. Grundvoraussetzung für die Freisetzung der Silberionen ist ein feuchtes Wundmilieu. Diese Wundauflagen werden bei infizierten Wunden angewendet und können die Besiedlung mit Mikroorganismen reduzieren.

Wundfolien
Die semipermeablen transparenten Membranen aus Polyurethan verhindern das Eindringen von Keimen und Feuchtigkeit bei gleichzeitiger Wasserdampfdurchlässigkeit und halten somit ein feuchtes Wundklima aufrecht.

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